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Mittwoch, 5. Dezember 2007

Killerspieldebatte in der Schweiz

Nach dem tragischen wie sinnlosen Tötungsdelikt in Zürich (ein 21jähriger erschoss nach der RS grundlos eine 16jährige an einer Busstation) werden nun auch in der Schweiz Stimmen laut, welche ein Verbot von "Killerspielen" fordern.

Der "Blick" berichtete am 4. Dezember: "Polizei fand stapelweise Killerspiele!" - ein Artikel, welcher keinen Zweifel an der Böshaftigkeit und der Schuld von Computerspielen lässt. Lebedeph reflektiert und relativiert diesen Bericht in seinem Blogeintrag und wirft dabei zurecht einige Fragen auf.

In der neuen Gratiszeitung "NEWS" vom 5. Dezember wird berichtet, dass "Killerspiele im Visier" der Schweizer Politik sind und auch die SVP einen Vorstoss zum Verbot dieser Spiele unterstützt. So fordert der Nationalrat Norbert Hochreutener (CVP, BE, Jg. 1946) eine Verbannung von "Killer-Computerspielen" aus den Regalen, indem der Bundesrat dem Parlament einen Vorschlag machen soll, "wonach realistisch gestaltete, zur Gewalt aufreizende Killerspiele zu verbieten sind".

Roland Borer (Jg. 1951) von der SVP Solothurn bezeichnet sich und seine Partei als "liberale Geister", fordert aber, dass hier "ein Verbot angesagt" sei und führt weiter aus, dass diese Spiele "keinen gesellschaftlichen Wert" hätten.

Von politisch linker Seite erhält der Vorstoss Unterstützung von Nationalrätin Chantal Galladé (SP, ZH, Jg. 1972) sowie Josef Lang (Grüne, Zug, Jg. 1951), welche beide ein Verbot von Spielen wie Counterstrike und Battlefield unterstützen.

Im selben Artikel der "NEWS" wird berichtet, dass die Petition gegen Gewalt in Unterhaltungsmedien der Pro Juventute zum "Stopp der (un)heimlichen Gewalt" nach zwei Monaten bereits 22.000 Unterschriften verzeichnen kann. Darin wird erklärt:
pro juventute will Kinder und Jugendliche schützen und dafür sorgen, dass hemmungslose Gewaltdarstellungen nicht unkontrolliert zugänglich sind. Dabei geht es nicht darum, Computerspiele oder Videos zu verbieten, sondern dafür zu sorgen, dass die bestehenden Gesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verbessert und durchgesetzt werden.
Grund für diese Petition sei, dass Kinder und Jugendliche heute "praktisch unbeschränkten und unkontrollierten Zugang zu Gewaltdarstellungen" in verschiedenen Medien (Computer, Video, Handy) haben und Gewalt immer selbstverständlicher werde. Das realistische und gezielte Töten um ein Spiel zu gewinnen, könne von den Kindern nicht abgeschätzt werden und habe Auswirkungen auf ihr "seelisches Wohlergehen und ihre gesunde Entwicklung".

Ihre konkreten Forderungen deshalb:
  • Wir wollen erreichen, dass eine nationale Zertifizierungsstelle geschaffen wird, die Computerspiele und Videos auf ihre Altersfreigabe prüft.
  • Wir wollen erreichen, dass diese Altersfreigaben verbindlich erklärt werden.
  • Wir wollen erreichen, dass Bund und Kantone endlich eine einheitliche Regelung im Jugendmedienschutz schafft.
  • Und wir wollen erreichen, dass Bund und Kantone bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Kompetenz im Umgang mit Unterhaltungsmedien fördern. Was heute getan wird, genügt nicht.
Die seit Jahren ausgetragene Debatte um "Killerspiele" in Deutschland ist nun also doch auch in der Schweiz angekommen. Eine Debatte, welche zum Grossteil Unwissen und Angst vor Unbekanntem vereint und zu einer emotionsgeleiteten und kurzsichtigen Meinungsbildung führt.

Bereits haben einige Blogs in der Schweiz das Thema der Killerspieldebatte ebenfalls aufgegriffen. Als Beispiele für kritische und relativierende Ansichten seien hier genannt: Schroeffu, digichris, mussi's blog oder der bereits erwähnte Lebedeph. Des weiteren auch noch hier, da und dort.
Mit dem Blick ins nördliche Nachbarland lohnt es vor allem die Webseite stigma-videospiele.de zu erwähnen, auf welcher der Autor Matthias Dittmayer bereits einiges zum Thema zusammengetragen oder kommentiert hat und anschauliche Beispiele sowie Begriffserklärungen liefert. Der selbe Autor schuf auch das Video "Killerspiele in ARD, ZDF und WDR", welches auf Youtube zu sehen ist und eine Zusammenfassung von Fehlern in der Berichterstattung über "Killerspiele" von den Magazinen hartaberfair, Frontal21, Kontraste und Panorama präsentiert.

Ich selbst hoffe nur, dass die politische Debatte von Menschen geführt wird, welche eine Ahnung von der Thematik und zumindest ein paar Mal selbst ein "Killerspiel" gespielt haben. Beim Blick auf den Jahrgang der involvierten Persönlichkeiten bin ich jedoch schon mal skeptisch. Nicht zuletzt stutzig macht mich auch die Unterstützung der SVP in dieser Frage. Welche Partei möchte nicht, dass die Armeewaffe in Zeughäusern verwahrt wird?

Eine breite, differenzierte Diskussion betreffend Jugendschutz und medialer Gewaltdarstellungen ist zweifelsfrei nötig. Dies bedarf jedoch nebst der fachlichen Kompetenz auch dem Verständnis der Computerspiele als Unterhaltungsmedium des 21. Jahrhunderts. Mit einer kurzsichtigen Sündenbock-Mentalität ist garantiert niemandem geholfen.

*Ergänzung*
Das oben erwähnte Youtube-Video von Matthias Dittmayer fand scheinbar mittlerweile derart Verbreitung, dass sich Dr. Claus Richter, Redaktionsleiter von Frontal21, nach 3 Jahren zu einer Stellungsnahme genötigt sah. Diese Stellungsnahme ist ebenfalls Thematik eines Online-Specials auf GameStar.de als einer der grössten PC-Spiele-Plattformen Deutschlands. Das selbe Spieleportal veröffentlichte bereits einen lesenswerten und breiten Themen-Special über die Killerspieldebatte in Deutschland nach dem Amoklauf in Emsdetten.

*Ergänzung die Zweite*
Zur erwähnten Stellungsnahme von Dr. Claus Richter gibt es bereits wieder gebloggte Antworten darauf, welche die Aussagen relativieren.

Sonntag, 2. Dezember 2007

Schweden - Deutschland 1:0

Dass Computerspiele gesellschaftlich und wissenschaftlich unter unterschiedlichen Vorzeichen betrachtet werden, kann am Beispiel des weltgrössten Computerfestivals "Dreamhack" in Schweden schön aufgezeigt werden. Schweden spielt, Deutschland verteufelt - eine LAN-Party als Lehrstück zum Abbau von Berührungsängsten?

Dieses Wochenende stieg auf dem ELMIA Messegelände in Jönköping (Schweden) eine weitere Ausgabe der Dreamhack - des weltgrössten Computerfestivals und LAN-Party. 10.455 Computer waren vernetzt, 15.000 Besucher zwängten sich in die drei Hallen - ein neuer Weltrekord. Dafür brauchte es auch ein entsprechendes Netzwerk: 92 Terabit/s Kapazität und eine 40Gbit Anbindung ans Internet standen zur Verfügung. Spannender als diese technischen Details scheint jedoch der gesellschaftliche Stellenwert dieses Anlasses, an welchem auch Turniere im "Killerspiel" Counterstrike (Presigeld: 40.000 SEK, also rund 7.000 CHF) ausgetragen wurden.

Interessant ist hierbei, dass die Ministerin für Kommunikation Åsa Torstensson vor Ort war und während der Verkündigung des neuen Weltrekordes meinte "that the participants should continue to play computer games since their knowledge is unique and that all that they know is the 'future'". Während also in Schweden solche Anlässe von Politikerinnen besucht werden, auf der Webseite Fotos von Kindern an der LAN gezeigt werden und generell der Eintritt ohne Altersbeschränkung durchgeführt wird (Deutschland: ab 18), fordert die Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie e.V. (GwG) in Deutschland Eltern auf, keine "Killerspiele" als Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Denn diese "brutalen Computerspiele zerstören Mitgefühl".

Ich empfehle der GwG, einmal nach Schweden zu reisen um einem solchen "Woodstock ohne Schlamm und Drogen" einen Besuch abzustatten. Vielleicht reicht es aber vorerst auch, das Interview mit dem Leiter der Dreamhack oder den Artikel zum Event auf Spiegel.de zu lesen. Unter Umständen ist auch ein Besuch der offiziellen Seite ein Weg, um sich ein differenzierteres Bild vom Hobby des Computerspielenes zu machen.